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ZEITSCHRIFTEN / Neurologie & Rehabilitation / Archiv / 2009_6 / abstract 3
 

Neurol Rehabil 2009; 15 (6): 356-364                                                                               Kasuistik 


Zur Einheit mit sich selbst finden – die narrative Kraft der Krise

M. Keller, R. Meier, J. Kesselring
Rehabilitationsklinik Valens, Schweiz

Zusammenfassung
Die Persönlichkeit eines Menschen umfasst motivationale, kognitive und emotionale Fähigkeiten, die
sich im Laufe des Lebens entwickeln. Nach einem neurologischen Ereignis bringt sie daher neben
einer prämorbiden Persönlichkeit auch einen individuellen Anpassungsstil mit, der in der Verarbeitung
eine zentrale Rolle spielt [17]. Die vorliegende Arbeit beschreibt diesen persönlichen Verarbeitungsprozess
sowie die Fähigkeit, durch die narrative Kraft der Krise [5] besser zu sich selbst zu finden.
Im Fokus steht also nicht der psychotherapeutische Aspekt der Vermittlung verlorengegangener
Hirnleistungsfähigkeiten. Die Patientenbeispiele zeigen mehrheitlich leichte neuropsychologische
Veränderungen. Es geht um die Möglichkeiten der persönlichen Ressourcen. Denn es ist unbestritten,
dass psychotherapeutische Interventionen für das Verarbeiten hilfreich sein können [19]. Dass jedoch
der hier beschriebene narrative Verarbeitungsprozess Patienten besser zu ihrem eigenen Selbst führen
kann, ist noch wenig erforscht.
Patienten nach einem Ereignis mit neuropsychologischen Folgen erleben oft einen tiefen biographischen
Bruch. Leistungen, Ziele und Pläne sind ihnen entglitten und damit ein Teil ihrer Identität. Nicht
nur ihre körperliche Gesundheit, sondern die Person selbst steht auf dem Spiel. Weil das zugleich
medizinische und psychologische Fragen aufwirft, kommt es in der Rehabilitation neben der medizinischen
Behandlung auch auf die persönliche Begegnung an. Dabei hat das Erzählen eine hohe therapeutische
Potenz. Im authentischen Kommunizieren der eigenen Geschichte öffnet sich die Person und
findet jenseits ihrer Funktionalität neu zu sich selbst.
Drei Interviews mit Patientinnen zeigen, dass der Umschlag im therapeutischen Prozess hin zu einer
persönlich akzentuierten, positiven Zukunftsoffenheit eng verbunden ist mit der Erfahrung, sich
»äußern« zu können. Die nicht-funktionalisierte erzählerische Reflexion auf die eigene Geschichte ist
dabei zugleich Ausdruck und Mittel einer Selbstfindung. Sie spiegelt eine heilsame Transformation
der Identität.
Schlüsselwörter: Identität, Narration, individueller Verarbeitungsprozess, Selbstfindung, Sinn

To find unity within oneself
M. Keller, R. Meier, J. Kesselring

Abstract
After a neurological event apart from premorbid personality an individual style of adaptation plays a
central role in coping. The present paper describes this personal coping and adaptation process as well
as the capacity to find to one’s core personality through the narrative force of a crisis. The focus is not
on the psychotherapeutic aspects of coping with lost brain functions but rather on finding one’s personal
resources. The patients described demonstrate only slight neuropsychological changes. It is not
doubted that psychotherapeutic interventions may be useful for coping, the narrative coping process
described here, however, is less well investigated. Patients after a neurological event with neuropsychological
sequelae experience a deep biographical disruption. Accomplishments, goals, and plans
have been lost and thereby a part of their identity is lost. To narrate has a high therapeutic potency.
During the process of authentic communication of his or her own story the patient may find a better
way to its core beyond pure functionality. This process mirrors a helpful transition of the identity.
Key words: identity, narration, individual manufacturing process, identification process, sense

© Hippocampus Verlag 2009


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